Paul Krieger

Tex und Sprache

 

Danke, Bruder /Die Geschichte, die rückwärts geht

Erscheint in 2024, spielt jedoch in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts.

Dieser Roman wurde von der Hessischen Kulturstiftung gefördert. Dafür bin ich dieser Stiftung sehr dankbar. Er wird im Herbst 2024 veröffentlicht werden.



 

Worum es geht

 

Fritz sitzt im Rollstuhl, doch seine Genesung schreitet rasch voran und er wird zum Vorsitzenden der Stiftung Ars In Vitae. berufen. Von Helen. Die hat kurz vor ihrem Tod diese Stiftung gegründet, sie ist nicht ganz zufrieden damit, was Frauen unter Emanzipation verstehen, so trug sie ihm dieses Amt an. Sie ist auch die Großmutter von Hannah. Die ist die Frau, die Fritz liebt. Doch Hannah verliebt sich in einen anderen Mann, Fritz kämpft um ihre Liebe, natürlich schafft er das nicht allein, so kommt auch Anna ins Spiel. Anna ist eine Heldin für Fritz, Hannah sieht das anders. Auch Helen kämpft für Fritz, denn sie mag ihn sehr. Und da ist auch noch Franz, der Bruder von Fritz, er macht Rockmusik, er liebt Musik und Männer. Und dann scheint es, er schafft den Durchbruch, hat Erfolg nach vielen Hungerjahren.

Eine Geschichte von der Liebe natürlich schrieb da Paul k, schildert sie aus seiner Sicht. Wie gefährlich doch Liebe für Männer ist. Ein Roman für Männer? Bisnichten - vielleicht erkennt manches weibliches Wesen, das sich auskennt in der Welt, den wunderbaren Mann an ihrer Seite, den sie nicht immer kennt. Der Prinz kommt bisweilen doch verkleidet daher. Ach, noch dies: Es gibt kein Smartphone, keine Mails, kein Chat in diesem Roman. Können Sie sich das vorstellen?

 

paul k .ist Dichter und Schriftsteller seit vielen Jahren, allerdings zieht er volle Züge mit Passagieren, mit denen man Geschichten erleben kann, dem Literaturgeschäft vor. Nein, er ist kein fauler Autor. Als paul k ist er unbekannt, als Paul Krieger kennen ihn Deutschlernende auf der ganzen Welt, die sich auf Prüfungen vorbereiten. Ebemso Englischlernende in Deutschland.


Hier das erste Kapitel

Mein Dank gilt (in alphabetischer Reihenfolge):

Angelinha, Anna, Buddha, Chung Lang, Creighton, dem chinesische Volk, dem tibetanische Volk, Delis, von  Ebner-Eschersbach, Einstein, Friday, Fromm, Gallilei, Ghandi, Hannah, Helen, Hesse, Krishnamurti, Laotse, Marcuse, Mong-tse, Pestalozzi, Phillips, Rousseau, Sarah, Schiller, Seneca, Steinbrecher, Tagore, Terezinha, Tseng Kuang, Walser, Wilde, Willi, Wilson, Wu Ti.

Ein ganz besonderer Dank gilt dem tapferen Recken Yoshida, der nie müde wurde, mir Trost und Hoffnung zu geben.

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Oft denke ich, es ist entsetzlich, dass meine Geschichte nicht  schon gleich hier zu Ende ist. Was bedeutet denn mein Leben jetzt noch - Franz ist nicht mehr hier.

Franz hatte eine Zukunft; begeistert hätten ihm die Herzen zu Füßen gelegen. Er hätte vielen viel gegeben. Die Zukunft ist weiblich, hatte er gesagt. Wozu taugte ich jetzt noch auf dieser Welt?

Franz hatte ein riesiges Begräbnis. Mediengerecht wurde es aufbereitet, Tagesschau und ZDF, RTL und SAT1 und Tausende von trauernden Fans waren live dabei. Von einer großen Hoffnung der Musik, die heimtückisch gemeuchelt wurde, weil sie zwei Liebenden Beistand leisten wollte, war die Rede.

So kam sogar ich ins Fernsehen. Bernard wurde auch gezeigt, wie er neben mir vor Schmerz zusammenbrach. Niemand sagte ihm, was tatsächlich geschehen war. Auch ich brachte es nicht übers Herz, ihm die Wahrheit zu offenbaren. Manche Lüge ist nicht feige, so dämmerte mir an meines Bruders Grab, sondern reinste Nächstenliebe.

Anna ist eine Heldin geworden.

Anklage wegen Körperverletzung mit Todesfolge wurde gegen sie eingereicht. Die öffentliche Meinung steht aber voll auf ihrer Seite.Viel wird ihr da nicht passieren, Notwehrsituation, klare Argumentation.

Annas Terminkalender ist jetzt vollgekleistert mit Auftritten als Oboistin. So sagte sie mir, als sie mich vor sechs Tagen besuchte. Und wie widerwärtig ihr der ganze Rummel um ihre Person sei.

Mit mir gibt sich das Sanatoriumspersonal redlich Mühe, doch mein Zustand bleibt wie er ist. Die Lähmung des Unterleibes sowie beider Beine, paraplegisch, wie die behandelnde Ärztin Dr.Goldberg meint, lässt nicht nach.

Aids habe ich nicht, das hat die Blutuntersuchung ergeben, auf eine simple Infektion ließen meine erhöhten Leukozyten-Werte schließen. Der Fleck auf meiner Stirn sei nicht melanös, obwohl er weiter wächst. Achselzuckend nehme ich die täglichen Bulletins meines Befindens hin.

Der Schein ist die einzige Wahrheit, denke ich, wenn Roswitha mich mit ihrer Tochter besucht. Sie kommt nie ohne gute Laune und herrlich frischen Kuchen. Ich hoffe, dass sie bald meine demonstrativ gelangweilte Miene satt hat und mich vergisst.

So wie recht bald Helen vergessen sein wird. Helen erscheint regelmäßig jeden zweiten Tag bei mir.

Es ist tröstlich zu sehen, wie ihr Körper sich aus dieser Welt begibt. Schmerzen hat sie keine, sie verträgt die Morphium-Spritzen recht gut. Sie schleicht sich nicht davon oder lamentiert über Ungerechtigkeiten. Manchen Tag wirkt sie aufgeweckt, als gälte es, ein ganzes Leben zu planen. Dann sprudeln kühne Pläne aus ihr heraus. Sie will eine Stiftung ins Leben rufen.Ars in vita solle den Sitz in ihrem Haus haben. Ziel der Gesellschaft solle die Erforschung und Umsetzung der Frage sein, wie weibliche Aggressivät zu fördern sei, so dass tatsächlich ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Geschlechter herrsche. Aber das weibliche Prinzip solle dabei erhalten bleiben.

Sie schrieb die Gattin des Bundespräsidenten an, die solle den Vorsitz übernehmen. Mich will sie testamentarisch zum Geschäftsführer bestimmen. Sie beschwört mich, endlich mit einzusteigen.

Ich bewundere diese Frau aufrichtig, wenn ich auch ihrem Projekt gegenüber nicht gerade enthusiastisch eingestellt bin.

Mir scheint, Helen kommt zwanzig Jahre zu spät damit. Das Thema Mann und Frau ist doch längst ausgereizt, denke ich. Ying und Yang stehen beide im Roten Kreis, von dem Buddha sprach. Sie taugen nur gemeinsam, wer zweifelte heutzutage noch daran.

Auch lässt mich der Klang des Wortes Aggression wünschen, es gäbe mich einfach gar nicht mehr. Welch Lebensberechtigung habe ich denn noch als unterleibsloser Krüppel im Reich gleichgeschalteter männlicher und weiblicher Aggression?

Überhaupt ist mir das Wort Aggression einfach zu sehr Gewalt. Und wer braucht heute noch Gewalt? Der Schwache? Die Schwachen? Frauen? Aber sind denn Frauen heute noch schwach? Sie werden vielleicht mal schwach, um zu gefallen oder vielleicht auch, um einem Herrn einen Gefallen zu tun. Wäre es anders, lebten wir da nicht längst im Reich der Amazonen? Ach, Frauen. Sie herrschen durch Schwäche, das ist ihre jahrtausende alte List. Gottlob.

Nein, ich finde Helens Ansatzpunkt, die Aggressivität der Frauen zu fördern, völlig falsch. Bedeutete denn eine Herrschaft der Frauen durch Stärke nicht unwillkürlich den völligen Untergang des Mannes?

Ich denke, da müsste Helen aber doch gleichzeitig eine Gesellschaft Zur Rettung des bedrohten Mannes mit ins Leben rufen. Wenn schon, denn schon. Oder etwa nicht?

Ich meine, Helen sollte lieber den Reiz der Geschlechter aufeinander und die Erhaltung der Anziehungskraft ausgiebigst erforschen lassen. Das, denke ich, wäre ein sinnvollerer Beitrag zur Konfliktbewältigung.

Aber dies Projekt zur Förderung der Aggressivität ist ja auch nicht der Grund für meine Bewunderung von Helen. Da gibt es einen ganz anderen, weitaus triftigeren. Der macht sie zu etwas ganz Besonderem, ich meine, zu einer ganz besonderen Frau.

Helen wusste bereits bei unserem ersten Zusammentreffen, wer ich war.

Das gestand sie mir später einmal ein. Von Hannah habe sie nämlich erfahren, wohin und mit wem ich nach Honolulu flöge.

Und da sie sich sicher gewesen sei, ich sei der geeignete Mann für ihre Enkelin, wollte sie uns vor größerem Schaden bewahren.

Das war ihr zwar nicht so recht gelungen, aber ich war doch sehr über ihre Anteilnahme gerührt.

Tatsächlich gibt Helen nach wie vor den Kampf um Hannah und mich nicht auf, obwohl Hannah bisher jeden Besuch bei mir konsequent verweigerte.

Als Helen mich gestern aus der Bastelstunde abholte - aus Papier stellen wir da Tiger und anderes Getier her, manchmal lassen wir auch Flieger fliegen -, sagte sie lachend, du weißt, ich habe noch ein Ziel. Ich lasse nicht locker.

Das sagte sie vor Frau Phillips, der netten Philippinin, die mich mitsamt Rollstuhl in den wunderbar bepflanzten Sanatoriumspark schob.

Dort setzte sich Helen gestern auf die weißgestrichene Bank, zog ihr spitzenverziertes altrosa Taschentuch aus dem Jackett und hüstelte diskret ihren Auswurf da hinein. Kurz betrachtete sie das Tuch, als lese sie ihren Kontostand vom Auszug ab, dann sagte sie, so lange ich die Sonne sehen kann, so lange ich den Duft dieser herrlichen Rosen hier atme, werde ich nicht aufgeben, mich für eure Liebe stark zu machen. Ich träume diesen Traum und nichts wird mich davon abbringen.

Aber Helen, murmelte ich, hast du vergessen, was geschehen ist? Schau mich an! Was kann ich deiner Enkelin bieten?

Ich fand, meine Stimme klang wie die einer Oase in der Wüste, die weiß, dass sie eine Fata Morgana ist.

Ich finde eine ganze Menge, schnaubte Helen entrüstet zurück, du würdest zu ihr stehen.

Ich fand, sie log großartig.

Ich faltete meine Hände über meinem gefühllosen Bauch. In diesem Augenblick stieß Dr. Goldberg zu uns.

Diese Frau hier neben mir ist eine unverbesserliche Optimistin, rief ich ihr zu, als sie auf uns zu kam.

Dr. Goldberg lächelte weise wie Harekrishne, als sie sich neben Helen niederließ.

Wenn sie jetzt wieder mit ihre Faselei von neuer Zielsetzung anfängt, dachte ich und betrachtete ihr langes, schütteres weißes Haar, rolle ich mich auf der Stelle fort.

Ich wollte einfach nur lieben und geliebt werden. Und nicht mehr. Ohne Vorbehalt und Macht und jede Konkurrenz.

Das sagte ich dort zu Dr. Goldberg.

Was Frau Dr. Goldberg nicht so recht verstehen wollte. Chef sollte ich sein, war ihre Überzeugung, so hatte mir in mancher Therapiestunde geraten, das aber wollte ich wahrhaftig nicht.

Ich mag auch nicht mehr weiter töpfern, dachte ich bei mir, den feuchten Ton unter meinen Händen formen bereitete mir nicht den geringsten Spaß.

Ich bekam gerade einen Anruf von einer gewissen Frau Hannah, hauchte nun Dr. Goldberg mit tiefem Bass bedeutungsvoll. Sie wird sie morgen besuchen.

Na also, rief Helen begeistert.

Missbilligend schüttelte sie sogleich darauf den Kopf, weil sie mein düsteres Antlitz sah.

Mensch, Fritz, forderte sie mich eindringlich auf, überlege dir doch einmal, warum Hannah gerade Franz liebte.


(Weiter geht es im Buch, wenn es im Dezember veröffentlich wird.  (zurück.)



 
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